Wie übt man Zen?

Zen muss erlernt, geübt und auch ausgeübt werden. Das Herz der Zen-Praxis ist Zazen. Diese spezifische Art der Meditation, die sich von allen anderen Meditationstechniken unterscheidet, kann durch Übung erlernt werden. Dazu sind allerdings rechte Motivation, sowie Geduld, Anstrengung und Disziplin erforderlich, die durch die Praxis kultiviert werden.

Formale Zen-Praxis beginnt mit den leichtesten Dingen, die wir tun können, wenn wir wach sind: Wir sitzen und wir atmen. Dies ist der Ausgangspunkt für einfache Tätigkeiten wie gehen, reinigen, essen oder rezitieren.

Sitzmeditation – Zazen

Beim Zazen konzentrieren wir uns anfangs auf die Atmung und erlauben den Atem ganz natürlich sanft fließen zu lassen. Diese Methode der Atem­betrach­tung wird auch in anderen Meditations-Schulen angewendet. Zählen der Ausatmung von 1 bis 10 kann die Konzentration auf die Atmung unterstützen. Im formellen Zen-Meditations­training dauern die einzelnen Sitzperioden ungefähr eine halbe Stunde. Während der Sitzmedition versuchen wir, dass unser Körper und Geist sich ausschließlich mit dem einfachen Akt des Sitzens und Atmens beschäftigt.

Zazen übt man am besten in einem ruhigen Raum, regungslos auf einem Kissen, in aufrechter Sitzhaltung, mit einer dicken Matte oder Decke als Unterlage. Die Beine können verschiedene Stellungen einnehmen: Lotussitz, halber Lotus, Burmesischer Sitz, Fersensitz (mit oder ohne Meditations­bank). Wichtig ist in jedem Fall, dass die Knie fest auf dem Boden aufliegen. Der Kopf wird gerade gehalten, das Kinn ist leicht zurückgezogen, so dass der Nacken gestreckt ist und die Ohren senkrecht über der Schulter stehen. Mit den Knien sinkt man förmlich in die Erde, wie die Wurzel eines Baumes, der Oberkörper ist aufrecht und gleicht einem Baumstamm, der Kopf stebt zum Himmel.

Die Hände bilden das Meditations­mudra. Die linke Hand liegt in der rechten. Die Daumen berühren sich leicht an den Kuppen, so dass ein schönes Oval gebildet wird, das den Nabel umschließt. Die Ellbogen sind leicht nach außen gerichtet, denn die Arme sollen den Körper nicht berühren und die Achsel­höhlen Raum für eine Faust bieten. Die Augen sind halb geöffnet. Der Blick ist unbewegt, aber entspannt etwa einen Meter vor dem Körper auf den Boden gerichtet. Ausführlichere Anweisung geben erfahrene Praktizierende.

Gehmeditation – Kinhin

Nach der Sitzperiode gehen wir mit der gleichen Geisteshaltung wie beim Zazen in eine bewusste Form von Bewegung. Alle gehen in einer Reihe hintereinander, jeder Schritt wird achtsam ausgeführt: Dies nennt man Geh-Meditation oder Kinhin. Die Hände befinden sich im Shashu: Sie werden vor der Brust flach übereinander gelegt, die linke Hand vor der rechten, mit verschränkten Daumen. Die Ellbogen werden vom Körper leicht abgewinkelt, sodass die Unterarme eine gerade Linie bilden. Im Zen bemühen wir uns beim Gehen – und schließlich in allem, was wir tun – um die selbe gesammelte Konzentration, welcher wir beim Sitzen eine konkrete Form geben.

Selbst wenn jemand lieber in der Meditationshalle weiter sitzen würde, bedeutet Kinhin die klare Aufforderung, das Zazen loszulassen und der nächsten Beschäftigung nachzugehen. Keine Fixierung auf das Sitzen, keine Fixierung auf das Gehen. Wichtig ist, den klaren Fokus beizubehalten, aber gleichzeitig die Fähigkeit zu kultivieren, im Fluss zu sein mit den wechselnden Umständen. Das macht einen bedeutenden Teil der Zen-Praxis aus.


Sutren – Rezitation

Als Teil der formalen Praxis rezitieren wir in einer Art Sprechgesang Sutren, also buddhistische Lehrreden. Ziel dabei ist es jedoch nicht, über die intellektuelle Bedeutung der Worte zu reflektieren. Vielmehr zählt die unmittelbare Erfahrung, sich durch das Hervorbringen von Klang vollkommen mit der Umgebung zu verbinden bzw. in ihr zu verlieren. Nach dem Rezitieren machen wir drei tiefe Verbeugungen. Nicht um irgendeinem äußeren Ding zu huldigen, sondern als Mittel, um mit unserem gesamten Körper in einer einzigen einfachen Handlung aufzugehen.


Was bewirkt Zazen?

Der Zweck dieser Übung ist es, den unruhigen Geist zur Ruhe zu bringen, ihn zu »zähmen«. Denn nur ein ruhiger Geist ist ein klarer Geist. Und erst wenn der Geist klar und gezähmt ist, können wir auch mit ihm arbeiten und mit dem eigentlichem Zazen beginnen. Wesentlich dabei ist, das dualistisch diskriminierende Denken zurückzulassen. Im Zazen sollten wir unser »wahres« Wesen erkennen und es realisieren. Wir lernen, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.

Normalerweise sehen wir die Dinge so, wie sie uns schlechthin erscheinen und wie wir sie interpretieren. Das führt allerdings oft zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen. Durch Zazen lernen wir allmählich, unsere eigenen Muster kennen, nach denen wir denken, reden und handeln. Wir erkennen auch, wo wir »festhängen«. Denn gerade das Nicht-Loslassen-Können, das Verhaftet-Sein, ist es ja, das die meisten unserer Probleme schafft – und so häufig zu leidvollen Erfahrungen führt!

Mithilfe von Zazen können wir nicht nur uns selbst besser kennen lernen, sondern erlangen auch Einsicht in viele Aspekte der sogenannten Wirklichkeit. Zazen sollte möglichst mit einer erfahrenen Lehrerin oder einem erfahrenen Lehrer geübt werden, da eventuell Probleme entstehen können, die für die Zen-Praxis hinderlich sind. Zazen hat therapeutische Wirkungen, sollte aber nie als Ersatz für eine Psychotherapie angesehen werden!

Das Hauptgewicht der Zen-Praxis liegt auf der praktischen Übung des Zazen und der Integration der dabei erlangten Einsichten in den Alltag. In fortgeschrittenen Phasen ist auch die Kenntnis der Grundlagen des Zen Buddhismus hilfreich, so wie sie in den Sutren und Schriften der großen Lehrer überliefert sind. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass ein tiefes und echtes Verständnis dieser Grundlagen nur durch die intuitive Schau beim Üben von Zazen erzielt werden kann.

Was ist Zen?